So wie sie spielt niemand auf der Welt den Kontrabass. Joëlle Léandre ist eine absolute Ausnahme-Erscheinung, eine phänomenale Improvisationskünstlerin und eine internationale Berühmtheit in der neuen europäischen Musikszene. Zwischen Kalifornien und Belgrad ließ es sich die selbsternannte „Gypsy“ nicht nehmen, bei uns in Glückstadt Halt zu machen, um zum ersten Mal in einer Bäckerei aufzutreten.
Sie hat mit namhaften Künstlern wie John Cage, Morton Feldman und Merce Cunningham zusammengearbeitet, hat fast 200 Alben aufgenommen und viele zeitgenössische Komponisten haben für sie Stücke geschrieben. „Die Szene der neuen Musik ist wie ein internationaler Stamm. Wir sind einfach glücklich, wenn wir spielen. Musik ist so groß und jeder kann so viel kreieren“, sagt die gebürtige Französin und nimmt uns ein Stück weit mit in ihre Welt. „Wir gehen auf die Bühne, um die Menschen zutiefst zu bewegen, sie dazu zu bringen, sich selbst zu hinterfragen, und um sie zum Träumen zu bringen.“
Im Hier und Jetzt wartet das wahre Leben
Joëlles unbändige Lust, sich vollkommen auf den gegenwärtigen Moment einzulassen, zeigt sich ab der ersten Minute ihrer Performance. So entsteht z.B. ein fröhliches Duett mit laut zwitschernden Vögeln, ein Rendezvous mit plötzlichem Wasserplätschern in den Rohren sowie ein kurzes Intermezzo mit einem klirrenden Glas.
Besonders lustig wird es jedes Mal, wenn Joëlle die unterschiedlichen Stimmungen aus dem Publikum aufzunehmen und musikalisch zu übersetzen scheint. Da wird in den Reihen herzlich gelacht – fühlt sich die eine oder der andere womöglich erkannt und in Klangform mit auf die Bühne geholt. Die Schöpferkraft dieser 72-jährigen Frau live mitzuerleben macht richtig Spaß und steckt an. Vielleicht spüren wir intuitiv, dass sich unser ganz individuelles Glück genau so finden lässt – und zwar immer wieder aufs Neue – in der Gewahrwerdung des Augenblicks.
Joëlle Léandre spielt seit über 60 Jahren Kontrabass. „Das Biest“, wie sie ihr umfangreiches Instrument nennt, behandelt sie wie ein lebendiges Wesen, bietet ihm sogar einen Schluck Wasser an und erteilt ihm – ebenso wie sich selbst – zum Schlussapplaus einen Bogenstoß ins Herz.
„Ich sterbe auf der Bühne“, beschreibt sie das Gefühl, zu improvisieren – alles ihr zur Verfügung Stehende zu begrüßen, es mit ihrer Lebensenergie zu füllen und es sogleich wieder hinter sich zu lassen. „Improvisation offenbart, dass das wahre Leben jetzt passiert, nicht gestern oder morgen.“
„Ich bin ein Rebell und als Rebell werde ich sterben“,
sagt Joëlle Léandre am Ende des Konzerts und lässt es wie eine Einladung klingen, es ihr gleich zu tun.
Zuschauerstimmen
- „Sie ist eine Schamanin am Kontrabass. So etwas habe ich noch nicht erlebt.“
- „Da muss ich über 80 Jahre alt werden, um so etwas Großartiges zu erfahren.“
- „Diese Musik spiegelt die heutige Zeit und sagt uns: Bleib wach, bleib offen, bleib frei und handle mit Herz und Hirn, damit du die Zukunft mitgestalten kannst.“
Die Backstube summt
Wozu ein Konzert in einer Bäckerei geben?
Um sie in Schwingung zu versetzen.
In der Regel ist die Küche der beliebteste Raum im Haus. Dort, wo gekocht und gebacken wird, kann man ein wohliges Summen wahrnehmen. So ist es auch bei uns in der Backstube. Diese Schwingung entsteht durch das Backen selber, durch die Menschen, die hier arbeiten und durch unsere Prozesse. Und manchmal verstärken wir die Schwingung dadurch, dass wir Vorträge oder Konzerte veranstalten. Dabei wird der Raum ein Stück weit aufgeladen, was sich positiv auf das Geschehen hier auswirkt. Darum machen wir Kultur in der Backstube.