Auf der Suche nach einer Teilzeitbeschäftigung kam Julianna Müller 2016 zunächst als Assistenz der Buchhaltung zu MOIN. Wenig später übernahm sie die komplette Büroorganisation und wurde zur Assistenz der Geschäftsführung, wodurch sie mit einem breiten Spektrum an Verantwortlichkeiten betraut wurde.
Nach einer Übergangsphase in der Betriebsleitung verantwortet sie heute als Teil der Geschäftsführung alle Aufgaben, die das Personal betreffen, sorgt sich – an guten wie an schlechten Tagen – um die Abläufe in der Produktion und ist für eine gute Abwicklung sowie einen reibungslosen IT-Betrieb zuständig. Am meisten Spaß macht ihr dabei „der nicht vorhandene Stillstand“. Durch das stete In-Bewegung-Sein kommt man immer wieder an Grenzen – entweder die der Mitarbeitenden oder die eigenen – und wächst entweder über sie hinaus oder lernt, sie zu akzeptieren und folglich besser mit ihnen umzugehen. Manchmal lernt man sie sogar schätzen. So oder so, man kommt voran.
Im Oktober 2017 feierten wir die Eröffnung unserer neuen Produktionshalle. Es waren 2500 Quadratmeter zu den bestehenden 1600 Quadratmetern Produktionsfläche hinzugekommen. Für Julianna war der Abschluss dieses Bauvorhabens ein echter Höhepunkt ihrer bisherigen Tätigkeit bei MOIN. „Während der Bauphase bin ich öfters über meine Grenzen hinausgewachsen“, erinnert sie sich. „Jetzt steht unsere große Halle schon über drei Jahre und bietet uns die Möglichkeiten, die wir für unsere Arbeit brauchen.“
Als gebürtige Russin ist Julianna im Sozialismus aufgewachsen und hat sich – obgleich sie ein Einzelkind war – stets als Teil der Gemeinschaft verstanden. Aus ihrer kindlichen Sicht ging es darum, die Stärken jedes einzelnen zu erkennen und einzusetzen, gleichzeitig aber auch die „Schwächeren“ mitzunehmen. „Natürlich ist das nur die halbe Wahrheit“, weiß sie heute.
Julianna denkt gern an ihre Kindheit zurück, in der ihr viel Erdverbundenheit vermittelt wurde. „Es war immer sehr wichtig, dass es dem Boden gut geht, schließlich haben wir davon gelebt. Da kam die Wertschätzung von ganz allein, auch wenn es nichts im Überfluss gab. Es wäre wünschenswert, dass die Menschheit wieder an den Punkt kommt, an dem sie versteht, dass uns die Erde nicht gehört, und an dem wir dankbar dafür sind, dass wir sie nutzen dürfen.“
Besonders schöne Erinnerungen hat Julianna an das Sommerhaus ihrer Familie väterlicherseits. „Die Luft, die Natur, dieses traumhafte Haus…“, schwärmt sie und sagt im selben Atemzug: „ohne Heizung und ohne fließend Wasser.“ Was wohl für viele Leute Mindestvoraussetzungen sind, um sich wohl zu fühlen oder von einem „Traumhaus“ zu sprechen, spielte in Juliannas Kindheit kaum eine Rolle. Viel wichtiger war die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen, das Glück eines intakten Familienlebens. Wenn Julianna mit ihren Eltern, Großeltern, Onkeln, Tanten und Cousinen ums Feuer saß, gemeinsam gegessen und miteinander geredet wurde, hätte die Welt nicht schöner sein können. Es gab frisch aufgebrühten schwarzen Tee mit Milch und frisch gebackenes Brot mit Butter und Salz. „Schlicht, aber unglaublich lecker“, beschreibt Julianna dieses wohltuende Essenserlebnis. Es gab generell oft Brot, damit alle satt wurden, viele Suppen und saisonales Gemüse. „Omi hat viel gebacken. Mein Lieblingsgericht waren ihre Pfannkuchen.“ Heute ist Juliannas Oma stolze 93 Jahre alt.
Als Teenager kam Julianna nach dem überraschenden Tod ihres Vaters nach Deutschland, dem Heimatland ihrer Mutter. Neben der Unterstützung ihrer Familie erhoffte sich Juliannas Mutter hier bessere Bildungschancen für ihre Tochter. Die gab es auch, kamen aber im Kombipaket mit Integrationsschwierigkeiten, da Julianna aufgrund ihres Migrationshintergrundes von ihren Mitschülern*innen ausgegrenzt wurde. „Seitdem hat sich viel getan“, räumt Julianna ein. „Wenn ich sehe, wie meine Kinder und ihre Freunde mit dem Thema umgehen, stimmt mich das sehr positiv. Wir scheinen dazugelernt zu haben.“ Und genau hierin liegt auch ein absoluter Herzenswunsch: „Ich wünsche mir, dass sich die Frage nach Herkunft und Bildung nicht mehr stellt, sondern an erster Stelle die Persönlichkeit wahrgenommen wird. Das wäre echte Chancengleichheit.“
Für die Zukunft wünscht sich Julianna, dass sie miterlebt, wie ihre Kinder groß und alt werden und zwar am liebsten in einer Welt, in der wir einander mehr Anerkennung entgegenbringen. „Ich glaube, wenn wir tolerant sind, kommt es gar nicht erst zu Kriegen und Hungersnöten. Erst wenn wir einander wirklich verstehen wollen, sind wir über derartige Abgründe hinweg.“